Wir gehen in den Kindergarten und lernen spielend als Roboter, wie sich programmieren anfühlt
Zehn muntere Kindergartenkinder tippeln unruhig hin und her, bevor sie endlich den Gruppenraum stürmen dürfen. In ihren Gesichtern sind Vorfreude und gespannte Neugier abzulesen, denn heute Vormittag geht es bei ihnen um Roboter und um Computer. Benjamin Wockenfuß, Projektleiter von DigiKids, ist in einem Frankfurter Kindergarten zu Gast und möchte gemeinsam mit Kindergarten-Kindern erlebbar machen, was es heißt, einen Roboter zu programmieren.
Es mag eigenartig klingen, dass Fünfjährige bereits verstehen können, wie Programmieren funktioniert – wozu überhaupt, fragt man sich, sind sie nicht viel zu klein für ein so komplexes Thema? Ganz und gar nicht, findet Wockenfuß, denn in seinen Workshops geht es nicht um ein verfrühtes Informatikstudium, sondern darum, grundsätzliche Zusammenhänge zu verstehen – und das können auch schon Kita-Kinder. Das Ziel, das er in seinen DigiKids-Workshops verfolgt ist, Medien zu entzaubern und sie für Kinder als gewöhnliche Gebrauchsgegenstände begreifbar zu machen. Sein Arbeitgeber, die Hessische Landesstelle für Suchtfragen und deren Kooperationspartner, die Techniker Krankenkasse, versprechen sich von der Projektarbeit, das sie die Medienkompetenz von Kindern frühzeitig stärkt.
Computer sind zum Arbeiten da – und zum Spielen!
Aber jetzt wird erst einmal geredet: „Welche technischen Geräte kennt ihr denn so?“, fragt er in die Runde. Die Kinder rufen durcheinander: iPad, Computer, Tablet und Smartphone sind gleich die ersten Antworten und für alle offenbar schon ganz selbstverständliche Alltagsgegenstände. Der Fernseher gehört auch noch dazu, scheint aber keine zentrale Rolle zu spielen. „Beamer und Leinwand“, fallen David schließlich noch ein – zum Filmegucken – benennt damit jedoch anscheinend noch eine Besonderheit. Einig sind sich die Kinder, dass die Computer und Tablets erst mal zum Arbeiten da sind, aber auch zum Spielen oder eben zum Filme anschauen „Und wenn ihr an einen Roboter denkt, was braucht man dafür, damit der funktioniert?“, fragt Wockenfuß als nächstes und bereitet damit bereits den Boden, der helfen soll, den Kindern ein Grundverständnis für Programmiersprache zu vermitteln. „Na, die Fernbedienung“, sagt Marlene, und Teresa weiß auch, dass Batterien, Knöpfe und vielleicht Kabel dafür wichtig sind. Das vor allem anderen erst einmal ein Mensch die Initiative ergreifen muss, um den Roboter zu bedienen, ist dem Nachwuchs zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bewusst.
Roboter spielen – Programmieren verstehen
Und genau daran arbeitet die Gruppe nun ganz praktisch und spielerisch beim Roboter-Spiel: Partnerweise finden sich die Kinder zusammen und stellen sich als Paar jeweils hintereinander auf. Vorne steht der Roboter, hinten der Programmierer. Zum ersten Mal fällt dieses Wort, das nun direkt mit einem Menschen verbunden ist, nämlich mit David, Marlene oder Nicolas, die ihren Roboter mit ihren Händen programmieren, also funktionstüchtig machen und steuern. Die Hand am Rücken des Roboters heißt ihn gerade aus zu befehligen, auf der rechten Schulter nach rechts, auf den Kopf heißt stehen bleiben. „Sieger ist, wer den Roboter zuerst ins Ziel steuert“, sagt Wockenfuß, und stellt fest: „Das sollten wir noch mal machen“, denn die meisten Roboter sind losgerannt und haben den Kontakt zu ihrem Programmierer verloren. Im zweiten Anlauf geht es schon viel besser. Alle bekommen genug Zeit, um noch ein besseres Gefühl für ihre Rolle zu entwickeln und so zu verinnerlichen, dass der Programmierer die korrekte Information liefern muss, damit der Roboter nach Wunsch aktiv wird. Schließlich dürfen dann auch die Roboter noch einmal Programmierer sein.
Medienkompetenz heißt auch, „nein“ sagen zu dürfen
Auf einmal blinkt es auf der Fensterbank, eine Sirene erklingt und zieht die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich. „Das ist Dash“, erklärt Wockenfuß. „Dash ist ein echter Roboter, den ihr jetzt mit dem Tablet steuern könnt.“ Aufregung und Freude sind groß. Die Neugier auf Dash und das, was er kann, ist so riesig, dass sich sofort fast alle Kinder in einer Reihe aufstellen, um nacheinander ausprobieren zu dürfen, wie sie ihn steuern können. Allein Masha schaut sich lieber erst einmal alles in Ruhe an. Später wird sie sich auch noch trauen Dash zu bedienen. Masha bekommt aber die Zeit dafür, die sie braucht, denn bei DigiKids geht es nicht nur darum Medienkompetenz aufzubauen, sondern auch darum, Kindern die Wahl zu lassen, sie zu respektieren und das spielerische Erleben zu fördern, aber nicht zu erzwingen. Schließlich gehört zu einer gut ausgebildeten Medienkompetenz auch, sich gegen Medien zu entscheiden.
Lernen mit Lachen und Erfahrung
Tom darf als erster an das Steuerboard. Sein Finger bewegt sich auf dem Display schnell hin und her, so schnell, das Dash entweder gar nicht hinterher kommt oder – wusch – flugs in eine Ecke düst. Das finden alle lustig und lachen. Mit etwas Übung merkt Tom, dass er mit seinen hastigen Bewegungen keine Kontrolle über Dash hat und ändert seine Strategie: sein Finger gleitet langsamer über den Bildschirm. Der Rest der Kita-Gruppe profitiert ebenfalls von Toms Erfahrungen. Die meisten Kinder führen ihren Zeigefinger kontrolliert übers Display und mit der Zeit schauen sie auch währenddessen kaum noch auf ihren Finger. Sie kontrollieren viel mehr mit ihren Blicken zu welchen Bewegungen sie Dash führen, beispielsweise zum Teppichrand oder im Slalom um die orangefarbenen Kegel.
Dabei handeln sie gezielt und bedienen den Roboter eigenverantwortlich. Sie sind der Auslöser für dessen Bewegung, das wird allen zunehmend klar. Den Ursprung für die Bewegung, nämlich die von Menschenhand hinterlegte Programmierung zeigt ihnen Benjamin Wockenfuß abschließend auf dem Steuerungsboard. Nach rund 90 Minuten Reden, Spielen, Lachen und Ausprobieren ist der Workshop zu Ende. Auf die Frage, was man denn nun braucht, um einen Roboter zu bewegen antwortet Nicklas: „Eine Fernbedienung, Batterien, Kabel … und mich.“ Und Marlene ergänzt: „Also den Mensch.“ Genau – denn am Anfang jeder Technik steht der Mensch.
Lernziel erreicht, auch ohne Informatikstudium.
Dieser Text erschien zu erst unter dem Titel „Programmieren im Kindergarten“ im Blog der Techniker.
Zur Gastautorin:
Yvonne Wagner ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Techniker Landesvertretung Hessen.