Am 25.02. war ich im schönen Bremen. Dort veranstaltete die Bremische Landesmedienanstalt den Fachtag „Medien Kids“. Teilnehmende Kitas konnten sich über den pädagogischen Einsatz von Digitalen Medien in der Kita austauschen. Dazu gab es einen Impulsvortrag von mir.
Auf Wunsch der Teilnehmer:innen fasse ich meinen Vortrag hier als Blog und als Podcast zusammen.
Kinder brauchen Digitale Balance – ihre Eltern aber auch
Direkt zu Beginn sollten wir nicht den Anfängerfehler begehen, dass wir die digitalen Lebenswelten unsere Kinder missverstehen. Unsere Kinder (je älter, desto mehr) gehen nicht mehr online – sie sind online. Das ist ein enormer Unterschied.
Der absolut folgenswerte Jöran Muuß-Merholz prägte auf einem Kongress in der Berliner Charité vier Grundannahmen zur Digitalen Welt, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:
- In digitalen Medien findet echtes Leben und reale Welt statt.
- Wir erleben keine digitale Revolution, sondern einen digitalen Klimawandel.
- Wir stecken in einer Art digitaler Pubertät.
- Digitale Medien sind große Verstärker.
Das ist eine wichtige Grundlage, um für das Thema zu öffnen. Digitalität ist bei uns angekommen. Dazu ein paar Fakten:
353 Minuten waren die unter 30-jährigen in Deutschland täglich online. Ein Anstieg von 79 Minuten pro Tag.
(ARD / ZDF Onlinestudie, 2018)
Das wird eine digitale Perspektive brauchen. Nicht irgendwann, sondern im Hier und Jetzt wird deutlich, wenn wir uns klar machen, dass unsere Kita-Kinder zu ca. 70% in Berufen arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt. Wenn wir uns weiterhin klar machen, dass diese Berufe eher digital basiert sein werden, kann der Schluss aus meiner Sicht nur der sein, dass wir unsere Kinder für eine Digitale Balance vorbereiten. Also, der bewusste Einsatz, aber auch das bewusste Abgrenzen von digitalen Medien.
Wir suchen uns unsere Zielgruppe nicht aus. Geht es um Fragestellungen zum digitalen Klimawandel, dann betrifft das nunmal direkt oder indirekt auch unsere Kinder in Kitas.
Wie kann so eine Kita Digital Aussehen?
Ein wichtiger Satz, der in dem Video von Klax-Gründerin Antje Bostelmann fiel, ist der folgende: „Wir können unsere Kinder nicht für das heute bilden, sondern müssen sie auf das morgen vorbereiten.“
Kinder wollen einen Impact auf Ihre Umwelt spüren.
Genau das macht (auch) den Reiz von digitalen Medien für Kinder aus. Hier können sie schnell und direkt einen Impact spüren. Das können wir bemängeln oder uns andererseits einmal fragen, ob wir denn den Kindern heute genug positive analoge Reize setzen? Und damit meine ich nicht, den top ausgestatteten Indoor-Abenteuer Spielplatz. Da geht es um ganz alltägliche analoge positive Reize. Möglicherweise ist der Druck der biographischen Selbstoptimierung unserer Kinder derart hoch, dass dafür leider meist keine Zeit mehr bleibt. Wenn das so ist, dann drängen wir ein Stück weit unsere Kinder jedoch dazu, diesen Impact digital zu generieren. Wobei es mir an dieser Stelle ganz wichtig ist zu betonen, dass wir im Idealfall nicht analog gegen digital ausspielen, sondern beides mit den jeweiligen Chancen und Grenzen wertschätzen.
Medienkompetente Kinder brauchen Medienkompetente Erwachsene.
So einfach, so wahr. Es gibt viele engagierte Projekte und Menschen, die das Thema hier voranbringen wollen. Dafür brauchen wir jedoch die Eltern im Boot. Sonst kann das nicht gelingen. Ganz einfach. Laut einer Studie der Uni Bonn schaut ein Erwachsener im Durchschnitt 88 mal am Tag auf sein Smartphone. 88 mal ein Vorbild zu sein. Machen wir uns doch nichts vor: Die Eltern sind in den allermeisten Fällen die wichtigsten Modelle für unsere Kinder. Das ist auch gut so. Das heißt aber auch, dass wir die Eltern erreichen und mitnehmen müssen. Wir können lang und breit Workshops mit Kindern machen, wenn zu Hause das Tablet nur ein „Youtube-Abspielgerät“ bleibt, dann werden Chancen nicht verpasst. Oder anders gesagt: Die Kinder sind es nicht, die abends am Essenstisch noch schnell die Mails aus dem Büro checken!
Wie kann Medienerfahrung in der Kita aussehen?
Bringen wir digitale Medien in die Kita, dann heißt das für mich immer auch Lernen im (digitalen) Lebensraum. Aus meiner Sicht sind vier Aspekte dafür essenziell:
- Der Empfangende bestimmt die Botschaft der Nachricht. Das gilt für mich auch für den Medieneinsatz in der Kita. Die Technik muss sich am Kind orientieren – keinesfalls andersherum.
- Als Erzieher:in seid ihr wichtige Bezugspersonen und Role Models für die Kinder. Das klingt anstrengend. Ist es mit Sicherheit auch mal. Klar ist jedoch, schnell die WhatsApp Nachrichten checken, während die Kinder sich für Draußen umziehen, sollte wohl eher vermieden werden.
- Digitale Medien in der Kita bedeutet, dass ihr noch nach Rezept stumpf nachkocht. Mixt die Rezepte, lasst Zutaten weg die euch / den Kindern nicht schmecken, kocht euer eigenes Gericht. Oder anders gesagt: Arbeitet aktiv und kreativ im Umgang mit den Medien und nicht rezeptiv.
Der digitale Klimawandel in der Kita, lässt sich nicht in der Kaffeepause – nebenbei – regeln!
Wann ist digital quatsch?
Kein Kind braucht digitale Impulse zum Überleben. Auch wenn Medienkompetenz eine Lebenskompetenz ist, gibt das Kind Interesse und Tempo vor. Im Kindergartenalter geht es vor allem darum, dass das Kind die Chance bekommt, sich aus dem kreativen Spiel heraus zu entwickeln. Das darf gerne (auch) digital ablaufen, es „reicht“ auch völlig, wenn z.B. mit Stöcken oder der Fantasie gespielt wird. Ich erlebe es so, dass in der großen Mehrheit, beides nebeneinander passiert.
Digital ist kein Ersatz für …
- Soziale Beziehungen
- Lernen in der haptischen Welt
- Verantwortung
6 Mythen über Kinder in der digitalen Welt
- Kinder sind digital natives.
- Eltern sind digital immigrants.
- Digitale Anwendungen sind Zeitverschwendung im Vergleich zu „echter“ Konversation oder dem Spiel draußen.
- Die Rolle der Eltern ist es, digitale Anwendungen für Kinder zu kontrollieren, zu limitieren und zu verbieten.
- Kinder kümmern sich nicht um die Sicherheit ihrer Daten.
- Medienkompetenz ist DIE Lösung für Kinder in der digitalen Gesellschaft.
Fazit: „Schluss mit Entweder oder. Wir brauchen ein Sowohl als Auch.“
Hier findet ihr noch den Podcast zu der Keynote zum Nachhören. Ich nutze dieses Format gerne, weil es dem Zuhörenden die Gelegenheit gibt, sich genau dann mit den Inhalten zu befassen, wenn der Kopf auch dafür offen ist.